Anläßlich der 150 Jahrfeier des SPD - Ortsverein - Schney

30. August 2021

Betrachtungen von Reinhard Blechschmidt, Am Brand 35, 96250 Lichtenfels

150 Jahre Sozialdemokratie in Schney – ein Spiegel der neueren deutschen Geschichte

2021 wäre ein Festjahr für den SPD-Ortsverein Schney gewesen. Leider hat die Corona-Pandemie alle Planungen zunichte gemacht. 150 ereignisreiche Jahre mit vielen Höhepunkten, aber auch traumatischen Erlebnissen prägen die Geschichte dieses traditionsreichen und für den Ort Schney einflussreichen Vereins. Das Geschehen um die Schneyer SPD spiegelt zum großen Teil die Geschichte und Entwicklung Deutschlands wieder, ein Grund, um einmal in loser Reihenfolge die Geschichte dieses im Spätherbst 1871 gegründeten Vereins zu erzählen.

Man muss sich einmal die soziale Situation bei den Handwerkern, Korbflechtern, Porzellanarbeitern und Tagelöhnern Mitte des 19. Jahrhunderts vorstellen, um zu verstehen, wie es zur Gründung einer solchen Vereinigung gekommen ist. Die Lage der Arbeiter wurde immer unerträglicher. Nicht nur in den industrialisierten Zentren, auch in Regionen wie Franken versuchten Unternehmer auf raffinierte billigste Weise zu produzieren und Gewinne zu machen. Ein Mittel dafür war die Heimarbeit, gerade in der Korbwarenfabrikation, an der oft die ganze Familie beteiligt war. Aufgrund niedriger Löhne war in diesen Familien oft die Not Küchenmeister.

Korbmacherfamilie
Eine Schneier Korbmacher-Haimarbeiter-Familie im Jahre 1910

Die Menschen in ihrer Verzweiflung wollten sich die Zustände nicht länger gefallen lassen. In ganz Deutschland und darüber hinaus rumorte es und die Idee des Sozialismus verbreitete sich rasch. Wandernde Handwerksburschen brachten diese Vorstellungen einer gerechteren und besseren Welt mit zurück in ihre Heimatgemeinden. So war das auch in Schney, wo Schmiedemeister Fritz Weber Kontakte zu verschiedenen Sozialdemokraten vermittelte, die dann auch vor Ort für ihre Ideen warben. Einige wenige Korbmacher und andere Handwerker begründeten in Folge im Spätherbst 1871 einen Arbeiterverein, der sich Krankenunterstützungsverein nannte, aus dem kurz danach der sozialdemokratische Wahlverein hervorging. Die Gründung dieser Vereine erwies sich im Ort und auch deutschlandweit als erfolgreiche politische Kraft, so erfolgreich, dass Reichskanzler Bismark als Vertreter der eher konservativen und reaktionären Elite die Notbremse zog. Durch die sogenannten Sozialistengesetze 1878 versuchte er alle sozialdemokratischen Verbindungen zu eliminieren. So wurden auch die Sozialdemokraten in Schney erstmals gezwungen im Untergrund zu agieren. Broschüren, Nachrichtenblätter oder Zeitungen mit entsprechendem Inhalt waren verboten und konnten nur heimlich verteilt und gelesen werden. In Schney wurden die Informationen auf konspirative Weise verteilt. Als Versteck dienten beispielsweise Geheimfächer in den Taubenschlägen. Treffen, wie zum Beispiel die Maifeiern, mussten heimlich organisiert werden. Die Schneyer Sozialdemokraten zeigten viel Mut und Pfiffigkeit, um die Restriktionen zu umgehen. Wenn das Wort „Schney“ fiel, reagierte die Obrigkeit oft sehr nervös. Einmal brachten die Schneyer Sozis anlässlich einer Maifeier rote Tücher und rotgefärbte Säcke zum Zeichen ihrer Solidarität sehr hoch in den Bäumen an. Da mussten dann die Lichtenfelser Gendarmen hochklettern, um sie zu entfernen, beobachtet und kommentiert von feixenden Schneyer Sozialdemokraten.
Eine weitere Geschichte war charakteristisch für diese überaus engagierten, politisch denkenden und handelnden einfachen Bürger. Um wählen zu können, musste man in diesen Zeiten das Bürgerrecht besitzen. Man konnte sich dieses Bürgerrecht zwar erkaufen, aber das war zum Beispiel für einen einfachen Korbmacher nicht zu leisten. Deshalb gründete man den „Verein zur Erwerbung des Bürgerrechts“. Man kassierte von den Mitgliedern wöchentlich einen „Nickel“, das waren 10 Pfennige, für jeden, der sich daran beteiligte immer noch eine größere Ausgabe. Auf diese Art und Weise kam jedoch so viel Geld zusammen, dass der Verein im Dezember 1912 für 70 seiner Mitglieder zur anstehenden Gemeindewahl das Bürgerrecht erwerben konnte. Mit Hilfe dieser „Nickelbürger“ wurde diese zu einem vollen Erfolg für die Sozialdemokraten, die sogar ab Januar 1913 die absolute Mehrheit im Gemeinderat stellten. Der 1. Weltkrieg (1914-1918) war ein tiefer Einschnitt in die politische und gesellschaftliche Situation in Deutschland. Es war schwierig an die alten Traditionen anzuknüpfen. Dennoch gelang es auch in der Nachkriegszeit immer die Mehrheit im Gemeinderat zu erringen und die Kommunalpolitik sozialdemokratisch zu prägen. Zunehmend wurde jedoch auch der Riss deutlich, der in der sogenannten Weimarer Republik durch die Gesellschaft ging und auch auf kommunaler Ebene fanden harte Auseinander-setzungen statt, vor allem zwischen den Sozialdemokraten und der extremen Rechten.

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